Germersheim (Rheinland-Pfalz)

 Karte Pfälzerwald.png Germersheim (Landkreis) Karte Germersheim am Rhein ist eine Kleinstadt mit derzeit etwa 21.000 Einwohnern in Rheinland-Pfalz – zwischen Karlsruhe (im S) und Mannheim (im N) gelegen (topografische Karte 'Pfälzer Wald', Lencer 2008, aus: wikivoyage.org/wiki, GFDL  und  Kartenskizze 'Landkreis Germersheim', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/germersheim).

 

Jüdische Bewohner sind für Germersheim bereits in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts nachweisbar. Als Folge einer Ritualmordbeschuldigung sollen 1323 auch Juden aus der Umgebung verbrannt worden sein; ein Vierteljahrhundert später führte der Pestpogrom zu weiteren Opfern. Auch in den Folgejahrhunderten müssen zeitweilig einige jüdische Familien hier gelebt haben, z.B. in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, als diese Zuflucht im durch Mauern geschützten Speyer suchten.

Germersheim merian.jpegGermersheim - Merian-Stich, um 1645 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Ab dem beginnenden 19.Jahrhundert siedelten sich Juden dauerhaft in Germersheim an. Ihre Anzahl erreichte um 1870/1880 mit mehr als 130 Personen ihren Höchststand. Ihren ersten Betraum richteten die Angehörigen der israelitischen Gemeinde im Jahre 1838 ein; knapp 30 Jahre später wurde dieser durch einen neuen Synagogenraum ersetzt; er lag im Erdgeschoss eines Hauses in der Oberamtsstraße. Wenige Jahre später besaß die Gemeinde auch einen Schulraum im gleichen Gebäude, nachdem das bereits 1844 eingerichtete jüdische Schulhaus wegen Einsturzgefahr aufgegeben werden musste. 

     Synagoge in Germersheim (Ausschnitt aus einer Bildpostkarte, Sammlung J. Hahn)

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20163/Germersheim%20Israelit%2009021891.jpg

Stellenangebote der Kultusgemeinde aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 9.Febr. 1891 und 30.Aug. 1900

Verstorbene fanden ab den 1830er Jahren auf dem jüdischen Verbandsfriedhof in Rülzheim ihre letzte Ruhe. 

Die Gemeinde Germersheim zählte zum Bezirksrabbinat Landau.

Juden in Germersheim:

    --- 1804 .........................   7 Juden,

    --- 1823 .........................  28   “  ,

    --- 1830 .........................  30   “  (in 5 Familien),

    --- 1848 .........................  93   “  (in 21 Familien),

    --- 1863 ......................... 123   “  ,

    --- 1875 ......................... 134   “  ,

    --- 1895 .........................  62   “  ,

    --- 1900 .........................  58   “  ,

    --- 1925 .........................  32   “  (ca. 1% d. Bevölk.),

    --- 1936 .........................  13   “  ,

    --- 1938 .........................  11   “  ,

    --- 1942 (Ende) ..................  keine.

Angaben aus: Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ..., S. 86

und                 Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 165     

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20428/Lingenfeld%20Fa%20Dreyfus%20020.jpg    Briefkopf des Unternehmens von Joseph Dreyfus (aus: Sammlung Heinz Sachs)      

Joseph Dreyfus betrieb die "Zündhölzer- und Wichse-Fabriken Jos. Dreyfus" bzw. "Chemische Fabrik" im benachbarten Lingenfeld.                                    

 

Nach dem Ersten Weltkrieg löste sich die jüdische Gemeinde Germersheim aus; es gab nicht mehr genug Mitglieder.

     

Textilgeschäft Noe Rosenbaum in der Hauptstraße 134 und dessen Familie (Aufn. Gerhard Martin)

Da nun in Germersheim kaum noch Gottesdienste stattfanden - der letzte wurde 1933 abgehalten -, wurde das Synagogengrundstück Jahre im Frühjahr 1938 an Privatleute verkauft; auf diese Weise entging das jüdische Gotteshaus der Zerstörung durch die Nazis. Die meisten der noch im Ort lebenden Juden hatten bis Ende 1939 „ihren Aufenthalt in benachbarte Großstädte, wie Mannheim, Frankfurt/M oder Wiesbaden verlegt”. Die letzten vier jüdischen Bewohner Germersheims wurden im Rahmen der sog. „Aktion Bürckel“ im Oktober 1940 nach Gurs deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 18 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/germersheim_synagoge.htm).

 

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20334/Germersheim%20Synagoge%20321.jpg Am Stadthaus in der Oberamtsstraße wurde 1989 eine Tafel mit der folgenden Inschrift angebracht: "In dieser Straße befand sich von 1838 - 1938 die jüdische Synagoge. Unseren jüdischen Mitbürgern zum Gedenken." (Aufn. aus: B. Kukatzki, 2012)

Nach 1990 zogen einige jüdische Familien aus den GUS-Staaten nach Germersheim und bildeten hier eine kleine Gemeinde.

Über die Verlegung von sog. "Stolpersteinen" konnte 2020 in der Kommunalvertretung schließlich eine Einigung erzielt werden. Auf Initiative des „Verein Interkultur“ wurden jüngst 17 Steine verlegt, die an das Schicksal ehemaliger jüdischer Bewohner erinnern (Stand 2023). Im Zusammenhang damit hat die Stadt Germersheim eine Begleitbroschüre verausgabt.

 Stolpersteine-Germersheim Rosenthal-Rosenbaum.jpgStolpersteine-Germersheim Mohr.jpg 

verlegt in der Hauptstraße (Aufn. Germersche, 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0) 

 

 

Weitere Informationen:

Germersheim. Beiträge zur Stadtgeschichte 1900 - 1975, Hrg. Stadtverwaltung Germersheim, Germersheim 1976, S. 33 - 36

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1986

Bernhard Kukatzki, Synagoge leider vergessen, in: "Die Rheinpfalz (Ausgabe Landau)" vom 8.10.1987

Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Hrg. Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Neustadt/Weinstraße 1988, S. 85/86

Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts, Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d.Weinstraße 1992

Germersheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 165/166

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 75/76

Thomas Fehr (Red.), Germersheim. Stolpersteine fürs städtische Straßenpflaster?, in: "Die Rheinpfalz“ vom 14.10.2020

Thomas Fehr (Red.), Germersheim. Über die Erinnerung an Nazi-Gräuel stolpern, in: „Die Rheinpfalz“ vom 7.3.2021

Interkultur Germersheim e.V. (Hrg.), Stolpersteine in Germersheim, online abrufbar unter: verein-interkultur.eu vom 9.3.2021

Ralf Wittenmeier (Red.), Germersheim. Zwölf Stolpersteine für Opfer des Dritten Reiches, in: „Die Rheinpfalz“ vom 11.10.2021

Hans-Jürgen Kremer, Exodus  Vertreibung  Shoah. Vom Leben und Sterben der Juden aus Germersheim 1933/1945, in: „Schriftenreihe zur Geschichte der Stadt Germersheim", Band 4, Hrg. Stadt Germersheim, 2022

Marcus Schaile (Red.), Verlegung von Stolpersteinen in Germersheim, in: „Die Rheinpfalz“ vom 26.1.2022

Ralf Wittenmeier (Red.), Germersheim. Stolpersteine: Jeder Name ein Schicksal, in: „Die Rheinpfalz“ vom 6.2.2022

Auflistung der in Germersheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Germersheim